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Kirche und Social Media: Anfragen

Facebook & Co.: Die großen Datenstaubsauger des Internets

„Social Media“ ist in aller Munde. „Sozial“ allerdings sind die Geschäftsmodelle der Big Player wie Facebook oder Twitter im Internet eigentlich keineswegs. Diese Firmen machen auf ihren Netz-Plattformen ihr Geschäft mit den „menschlichen Neigungen wie Neugier, Identifikation, Spieltrieb, Mitteilungsdrang“ (1) ihrer Nutzer. Die Nutzer selbst in all ihren Lebensäußerungen sind das „Produkt“, die Ware, die sich gut an die Werbewirtschaft verkaufen lässt (2). Dass dabei der Datenschutz auf der Strecke bleibt und immer wieder von Verbraucherschützern und selbst von staatlichen Stellen (3) angemahnt wird gehört quasi zum Geschäftsmodell dazu.

Social Media als „meaning machine“

Besonders negativ in Sachen Datenschutz und Privacy (4) tritt permanent Facebook in Erscheinung, das mittlerweile ein eigenes gigantisches „Netz im Netz“ (5) geworden ist. Neueste Ankündigungen der Firmenleitung, Facebook mit seiner neuen „Timeline“ zu einer Art Datencontainer für das ganze (auch das vergangene) eigene Leben zu machen (6), lassen Datenschützer derzeit Sturm laufen. Facebook ist längst und wird so noch mehr zum Big Brother, zur “Meaning Machine” (7): “The Meaning Machine is customizable. You can hide whatever you want from other people. But you cannot revise and you cannot hide from The Meaning Machine itself.” (7)
Facebook-Gründer Zuckerberg ließ schon im Januar 2010 verlauten, die Zeit der Privatheit sei eh jetzt vorbei, mehr Offenheit auch in privaten Dingen sei heute „soziale Norm“ (8).

Nun muss man nicht unbedingt Theologe sein, um solche Versuche von Facebook, für das eigene Geschäftsmodell nützliche Neudefinitionen gesellschaftlicher Normen durchzudrücken, kritisch zu sehen und zu hinterfragen. Aber gerade als an „Social Media“ interessierter Mensch bleibt mir die Frage, ob ich als Christ und Theologe im pastoralen Dienst nicht fehl am Platze bin in einem Netzwerk, das wie ein gigantischer Röntgentisch die Vorlieben, Interessen und Abneigungen seiner Nutzer in allen Lebensbezügen aufzeichnet, speichert, auswertet, verkauft und schon gar nicht freiwillig wieder hergibt, sondern sogar als sein legitimes geistiges Eigentum betrachtet (9)?

Gespaltenes Verhältnis?

Von vielen kirchengebundenen Leuten, Theologen, Pfarrern, kirchlichen Mitarbeitern, die in Netzwerken wie Facebook unterwegs sind, wird als – pastoraler – Grund für das Engagement dort angegeben, dass man als Kirche ja auch dort präsent sein müsse, wo sich die nun mal Leute aufhalten, dass es gerade im Bereich der Online-Medien eine Unterpräsenz kirchlicher Aktivitäten gibt und dass es geradezu geboten sei, das kirchliche aktive Leute „als Grenzgänger, als Scouts, als Nomaden“ im Web 2.0 unterwegs seien (10). Es sei ja gerade das Web 2.0 mit seinen vielen, dezentralen Möglichkeiten zu kommunizieren, das die noch meist in der Kirche vorherrschende „von oben nach unten“-Kommunikation durchbreche und gleichberechtigte Kommunikation auf Augenhöhe ermögliche (11).
Diesen Argumenten ist ja vom Ansatz her zuzustimmen. Aber kann ich sie wirklich trennen von der Frage, ob die eigentliche Geschäfts-Basis z.B. Facebooks mit meinen Überzeugungen als Christ, mit einem christlichen Menschenbild zusammengeht?

Networkpeople
Soll Kirche dorthin, wo auch die Menschen sind? Sicher, aber ein Nachdenken über die Wahl der Mittel und deren Integrität schadet vorher auf keinen Fall.

 

Die Argumentation „Dort sind ja alle, also gehören Kirche und Glaube auch dahin“ ist also pastoral gesehen vielleicht ok., aber einfach nicht konsequent zu Ende gedacht: Als könne das an sich Gute, dass Kirche im Netz eben auch dort präsent ist, wo sich auch die Menschen herumtreiben, aufgerechnet werden mit dem objektiv „Schlechten“, dass etwa Facebook eine perfekt aufgebaute und inszenierte Infrastruktur darstellt, mit der sich Gedanken und Gefühle, Interessen und Freundschaften, Fotos und Musik, Leben und Meinung von dort angemeldeten Leuten für kommerzielle Zwecke verzwecken und ausbeuten lassen.
Wenn ich kirchliche Aktivität auf einer Plattform betreibe, die in vielen Aspekten etwas derart Menschenausnutzendes hat, „heilige“ ich dann nicht die Mittel? Erteile ich dann nicht dem dort praktizierten „Geschäftsmodell mit Menschen“ die Absolution? Reicht ein Hinweis auf die Freiwilligkeit der Akteure etwa bei Facebook Kirche aus, um sich ebenfalls Facebook kritiklos in die Arme zu werfen?
Oder anders gefragt: geht „Social Media“ nur, wenn ich eben die Kommerz-Vehikel nutze und aktiv propagiere („Like“-Button), die nun mal da sind – unabhängig von ihrer fehlenden Integrität und offensichtlichen Ambition zur Totalität?

Social Media und die Frage nach der Integrität der Mittel

Zwei Sachen möchte ich dazu anmerken:
1) Während sich das innovativ-orientierte Pastoralpersonal auf das Web 2.0, sprich Facebook und Twitter, stürzt, um dort als kirchlich-gebundene „Early-Adopters“ mitzumischen, um zu experimentieren und um pastorale Claims im Online-Land kirchenentfernter Sinus-Milieus abzustecken, wird meiner Ansicht nach zu wenig – theologisch und pastoral – reflektiert, was denn die Menschen dazu überhaupt antreibt, ihr Leben, ihre Beziehungen und Ansichten ins Netz zu stellen?
Was ist das Faszinierende, der „innere Sog“, das “Muss”, dieses „Leben unter teilnehmender Totalbeobachtung“ (12) im sogenannten Web 2.0 online zu inszenieren? Gibt es außer soziologischen Studien überhaupt Literatur, die sich theologisch mit dem subtilen Reiz auseinandersetzt, sein Leben vor anderen in einer Timeline auszubreiten und zum Kommentar frei zu geben? Kann man überhaupt z.B. auf Facebook Pastoral betreiben, ohne sich über diese Fragen Gedanken zu machen? Wieso reflektieren diese Fragen zwar Online-Magazine wie FAZ-Net (13) und andere (14), aber nicht (oder zu wenig) pastorale Praktiker oder Theologen?

2) Meine Meinung ist, dass ich vom Evangelium her die Frage nach der Integrität der Mittel und der Plattform, die ich benutze und auf der ich agiere, genau so zu stellen habe wie die Frage nach der Integrität meines Handelns überhaupt.
Es ist eine ethische Frage, die sich mir im christlich-pastoralen Kontext sogar verschärft stellt: ob ich eine solch datentotalitäre Plattform wie etwa Facebook nutze oder ob ich mich nach vorhandenen „besseren“ Alternativen umsehe und diese dann auch wähle, nutze, unterstütze und genau dazu einlade.
Vielfach bleibt bei kirchlichen Aktivitäten z.B. bei Facebook der Eindruck, dass zwar oft das Wissen um den auch Gutmeinende korrumpierenden Datenhunger vorhanden ist, dann aber nach der Maxime „Augen zu und durch“ gehandelt wird in der Hoffnung, so schlimm wirds schon nicht werden.
Und das ist – mit Verlaub – zu kurz gedacht.
Bei der Wahl der Mittel, mit denen kirchliche Pastoral ihre Anliegen transportiert und platziert, sollten auch im Web 2.0 Freie Software-Lösungen bevorzugt werden, weil sie den Benutzern und „Followern“ die Hoheit lassen über die eigenen Daten und darüber, wer sie nutzt und was mit ihnen passiert.

[box type=“note“ style=“rounded“ border=“full“]“Now, more and more of the computing power we use comes from a CPU across the Internet. We no longer own our digital homes. Instead, we live rent-free with our parents. There are some serious upsides to living with your parents, particularly in today’s economy. You save money. You don’t have to worry about figuring as many things out on your own. Someone else fixes all the messes. And it’s harder to make a mess when you’re being constantly monitored.
But the freedom of usage that defined personal computing does not extend to the world of parental computing. This isn’t a bug in the way that cloud services work. It is a feature. What we lose in freedom we gain in convenience. Maybe the tradeoff is worth it. Or maybe it’s something that just happened to us, which we’ll regret when we realize the privacy, security, and autonomy we’ve given up to sync our documents and correspondence across computers.“ – Alexis Madrigal „The Atlantic“ Magazine (14)[/box]

(1) https://www.monetarisierung.net/geschaftsmodell-von-facebook/
und: https://derstandard.at/1315006300124/Geschaeftsmodell-Twitter-weitet-Werbung-aus
(2) https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2011-04/twitter-daten-firehose
(3) https://www.focus.de/digital/internet/internet-drei-minister-fuer-den-datenschutz_aid_498519.html
(4) https://allfacebook.de/policy/facebook-vs-datenschutz-wie-sich-fanseiten-betreiber-und-like-button-nutzer-derzeit-verhalten-sollten
oder: https://www.test.de/themen/computer-telefon/meldung/Soziale-Netzwerke-und-Datenschutz-Was-Facebook-alles-erfaehrt-4271957-4271979/
(5) Kommentar von Sven Frohwein in der WAZ: https://www.blogspan.net/presse/waz-das-unbehagen-wachst-kommentar-von-sven-frohwein/mitteilung/235902/
(6) https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article13622456/Facebook-archiviert-das-Leben-seiner-Nutzer.html
oder: https://www.golem.de/1109/86618.html
(7) So Tech-Blogger Alexis Madrigal im Online-Magazin “The Alantic”: https://www.theatlantic.com/technology/archive/2011/09/the-meaning-machine/245757/
(8) https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,698237,00.html
(9) https://europe-v-facebook.org/DE/de.html
(10) https://kirche20.at/blog/als-grenzg%C3%A4nger-als-scouts-als-nomaden-den-medien-unterwegs-video
(11) https://www.slideshare.net/kirche20/webmontag-kirche20-9518845
(12) https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/facebook-als-lebensarchiv-exhibitionismus-11367864.html
(13) https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/digitales-denken/facebook-das-leben-wird-zur-online-show-11370897.html
(14) https://www.theatlantic.com/technology/archive/2011/09/the-clouds-my-mom-cleaned-my-room-problem/245648/

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