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Konzils-Bashing wird salonfähig

Konzilsbischöfe

So, jetzt muss ich mich doch mal als Theologe zu Wort melden. Vor kurzem habe ich unter der Überschrift „Das Konzil hat die Kirche lasch gemacht“ auf WELT-Online ein Interview mit dem konservativen Philosophen Robert Spaemann gelesen. Die WELT führt ihn dort interessanter Weise als „geschätzten Gesprächspartner des Papstes“ ein. Spaemann betreibt im Interview allerdings keinen echten Diskurs über das Konzil, sondern einfach nur etwas, das ich mal „Konzils-Bashing“ nennen möchte: neben dem Vorwurf der Laschheit ist für Spaemann das Konzil Schuld am „Niedergang“ der Kirche, an fehlenden Priestern, an Verächtlichmachung und an Kritik an der Kirche. Spaemann fordert unverhohlen „Schritte zurück“ und nennt den vielbeschworenen „Geist des Konzils“ ein „Gespenst“.

Dieses Interview passt in die just zum 50. Jahrestag der Konzilseröffnung deutlich spürbar werdende restaurative Phase der Kirche: Konzils-Bashing ist momentan sehr en vogue. Sogar der Papst macht das vor.

 

Was aber war und ist das Besondere des 2. Vatikanischen Konzils?

In den maßgeblichen Konstitutionen des 2. Vatikanischen Konzils , ‚Lumen Gentium‘ und ‚Gaudium et spes‘, sind die entscheidenden Pole: Spiritualität und Säkularität.
Das eigentlich Neue dieses Konzils: es beschreibt die Kirche auch unter säkularen und die Welt auch unter spirituellen Gesichtspunkten. So erkennt es die ganze Menschheit unter dem Aspekt ihrer Berufung als Volk Gottes. Lehrte das Konzil von Nizäa die Gleichheit von Gott und Mensch in Gott, so lehrt das 2. Vatikanische Konzil die die Gleichheit von Gott und Mensch im Menschen.

Demnach zielt die Sendung der Kirche keineswegs auf eine vordergründige Christianisierung oder Verkirchlichung der Welt, sondern ihr geht es zutiefst um die menschliche Person, deren Schöpfer Gott ist, und mit ihm zugleich um den gerechten Aufbau der menschlichen Gesellschaft, ja der Welt überhaupt.

Der pastorale Ansatz des 2. Vatikanums

Kirche nach dem Konzil schränkt ihre eigene Sendung nicht auf ihre Gläubigen und Kirchenmitglieder ein, sondern die Kirche will „alle Menschen ansprechen, um das Geheimnis des Menschen zu erhellen und mitzuwirken dabei, dass für die dringlichsten Fragen unserer Zeit eine Lösung gefunden wird“.
Der pastorale Ansatz des Konzils ist demnach der Mensch in seiner konkreten Lebenssituation und nicht eine Fixierung auf ein primär doktrinäres Sendungsbewusstsein.

Indem das Konzil die Welt ernst nimmt, verlagert sich der Akzent der Sendung der Kirche von der Orthodoxie auf die Orthopraxie. Letztere wird durch ein neues dienendes, diakonisches Selbstverständnis der Kirche theologisch begründet. Die Kirche soll Christus dienend folgen und durch ihren Dienst Gottes Liebe deutlich, ja erfahrbar machen. Sie wird erst so zum Sakrament für die Welt.
Der dogmatische Fortschritt des Konzils liegt also nicht in einem neuen semantischen Inhalt des Glaubens, sondern in der Ausweitung der authentischen Wahrheit auf die Pragmatik.

Lothar Wolleh [CC-BY-SA-3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Lothar Wolleh „Vor einer Papstmesse auf dem Konzil“ [CC-BY-SA-3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Neues Offenbarungsverständnis

In der dogmatischen Konstitution ‚Dei verbum‘ schließlich artikuliert das Konzil ein neues Verständnis göttlicher Offenbarung. Die vorkonziliare Sicht sah Glauben als Zustimmung zu übernatürlichen, für ewig festgeschriebenen Lehren. Demgegenüber betont das Konzil den dialogischen, kommunikativen Charakter von Offenbarung: „In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (…) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (…) und verkehrt mit ihnen (…), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen.“

In der Konsequenz aus einem solchen Offenbarungsverständnis ist nicht mehr nur die deduktive Vermittlung von Glaubensinhalten angesagt, sondern vielmehr Weitergabe dieser gottgewirkten Liebe, Kommunikation, Entdecken Gottes in der je eigenen Lebensgeschichte. Unter dem vorhin erwähnten diakonischen Aspekt, dient hier Kirche dem Menschen, seinerseits in einen Dialog mit Gott einzutreten, in dem er sein ganzes Leben zur Sprache bringt.

Kurz: Das 2. Vatikanische Konzil sieht die Kirche plötzlich in globalem und kirchengeschichtlichem Zusammenhang und als Gemeinschaft. Volk Gottes ist hier die Kirche als Ganze und nicht das Volk als Gegenstück zur Hierarchie. Alle Glieder der Kirche haben aus Sicht des Konzils Anteil am priesterlichen Amt Christi.

Genau dies ist es, was Leute wie Spaemann nicht sehen (wollen): Das 2. Vatikanische Konzil war kein Reformkonzil, sondern ein Pastoralkonzil. Und Pastoral denkt von den Menschen her, nicht von der Institution. Das genau macht das Revolutionäre des Konzils aus.

Zum Weiterlesen:

https://www.kirche-heute.ch/kirche-heute/beitraege/3aktuell/2012-21-Konzil-Symposium.php

https://www.pro-konzil.de/?p=190

https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2011/september/die-todkranke-kirche

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