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Zeitreise in die Renaissance: Trip nach Sabbioneta

Sabbioneta aus der Luft
Sabbioneta aus der Luft (Bild: Google-Maps): Gut erkennbar sind die Wehranlagen und die Stadtmauer – von mir gelb hervorgehoben -, die die kleine Renaissance-Gemeinde vollständig umschließen. Im Innern der Befestigung sind die Straßenzüge rechtwinkelig angelegt. (Klick: Großansicht)

Um Ostern herum hatte ich endlich wieder Zeit für einen Kurztrip nach Italien, genauer: in den Norden der Lombardei nach Mantua, das ich nun schon das 2. Mal besucht habe.

„Idealstadt der Renaissance“

Nach ausgiebigen Stadtbesichtigungen dort boten sich für mich zwei Ausflugsziele in der näheren Umgebung an: 25 Kilometer südöstlich von Mantua liegt San Benedetto Po, dessen Hauptattraktion das um das Jahr 1000 gegründete Kloster San Benedetto in Polirone ist (der umgebende Ort selbst ist eher nicht so schön) und alternativ:  die kleine Stadt Sabbioneta, 33 km südwestlich von Mantua gelegen, die laut knapper Beschreibung des Reiseführers im 16. Jahrhundert als Renaissance-„Idealstadt“ der Gonzagas, Mantueser Fürsten, gegründet wurde. Letzteres Ziel erschien mir spontan weitaus reizvoller. Und um es vorweg zu nehmen: Sabbioneta ist einen Abstecher mehr als wert – nicht umsonst wurde die Altstadt 2008 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Porta Imperiale
Porta Imperiale: das Stadttor im Südwesten

Wenn ich durch die Poebene fahre, überkommt mich oft das Gefühl, in einer Gegend zu sein, in der es außer Traktoren, endlosen Feldern und verfallenen alten Gehöften nicht viel zu sehen gibt. Die Fahrt von Mantua nach Sabbioneta scheint dieses Gefühl zu bestätigen.

Renaissance-Galerie und Gartenpalast

Wenn man sich Sabbioneta mit dem PKW nähert, fällt als erstes die ziegelrote Befestigungsmauer der Stadt auf: die „Zacken“ der Wehranlagen strecken sich dem Besucher regelrecht entgegen. Ursprünglich war Sabbioneta nicht viel mehr als nur eine kleine befestigte Stadt, die dann Anfang des 16. Jahrhunderts zu einer fürstlichen Residenz, einer Idealstadt ausgebaut wurde: nicht nur wehrhaft wurde die neue Stadt geplant, sondern vor allem auch als Hort der Kultur, der Künste, der Zerstreuung.

Durch die „Porta Imperiale“, deren Name allein schon den Anspruch des Erbauers verdeutlicht, gelangt man ins Ortsinnere, bis man linkerhand eine große Piazza bemerkt, auf der man auch gut parken kann. Die Piazza d’Armi bietet eine kleine Grünanlage und wird dominiert von der „Galleria degli Antichi“, mit mit 96 Metern Länge eine der längsten Renaissance-Galerien, gebaut für die umfangreiche Kunstsammlung des Fürsten Vespasiano Gonzaga. Direkt daneben angrenzend – mit Direktzugang zur Galleria – beschließt die Piazza im Süden der „Gartenpalast“ des Fürsten mit sehenswerten Fresken und aufwändig gestalteten Decken, Wänden und Fußböden (hier ist heute die Touristeninformation). Dieser Palast war zum Freizeitvergnügen des Fürsten erbaut worden.

Die Galleria degli Antichi
Die Galleria degli Antichi wurde erbaut für die umfangreiche Kunstsammlung des Fürsten gebaut.

In einer solch kleinen Stadt von gerade einmal 400o Einwohnern auf Gebäude von solchen Ausmaßen anzutreffen, verwundert einigermaßen.

Welche großzügigen Dimensionen die Kunstgalerie des Gonzaga-Fürsten erreicht, erschließt sich von außen trotzdem nicht auf den ersten Blick. Erst eine Besichtigung des Gartenpalasts und der Kunstgalerie von Innen, rückt die eigene Vorstellung gerade und ruft wegen deren Weitläufigkeit doch Erstaunen hervor. (Übrigens gibt es im Touristenbüro Kombi-Tickets für alle Sehenswürdigkeiten, deren Kauf vor allem aus preislichen Gründen empfehlenswert ist.)

Die Kunstgalerie in Sabbioneta: in Architektur gebrachte Großzügigkeit.
Die innen reich bemalte „Galerie der antiken Kunst“ in Sabbioneta ist in Architektur gebrachtes fürstliches Mäzenatentum: hier war die Kunstsammlung der Gonzaga-Fürsten untergebracht.

Auf dem Weg Richtung Marktplatz, nur 2 Minuten Fußweg von der großen Piazza entfernt, erscheint Sabbioneta unspektakulär, eine typische italienische Kleinstadt in der Poebene. Von außen sind selbst die Gebäude unscheinbar, die innen größere Schätze bergen. Das „Palazzo Ducale“, der Fürstenpalast, direkt am Kopf des Marktplatzes (Piazza Ducale) gelegen, ist ebenso unscheinbar von außen, es sieht aus, wie ein etwas größeres Rathaus (welches sich übrigens auch an diesem Platz befindet). Wenn man das Gebäude betritt, lassen die üppig gestalteten Decken, die ausschweifenden Wandmalereien jedoch keinen Zweifel: es ist ein Renaissance-Palast – auch wenn die Räume fast zur Gänze leer sind. Die Köpfe der wenigen Besucher sind fast ständig nach oben gerichtet, so viel gibt es da zu sehen! Erstaunlich auch der Raum mit mehreren lebensgroßen Reiterfiguren der Fürsten aus Holz: bunt und lebensecht bemalt, als wollten die Gonzagas gleich davon galoppieren!

Links der Palazzo Ducale - am Marktplatz gelegen
Links der Palazzo Ducale – direkt am Marktplatz gelegen. Bei meinem Besuch regnete es stark und die Marktstände wurden gerade abgebaut, darum sieht die Szene auf dem Foto etwas trostlos aus. Regen in Sabbioneta ist im Übrigen nicht schlimm, denn alle Wege in der Stadt sind kurz.

Überraschend auch die alte Synagoge, die sich im Obergeschoss eines von außen etwas herunter gekommenden Hauses an der entgegengesetzten Ecke des Marktplatzes befindet. Erst nach einigen Treppen findet man eine vollständig erhaltene Synagoge aus dem 18. Jahrhundert vor, die ebenfalls sehr sehenswert ist.

Gebäude der Synagoge
Das Gebäude der Synagoge von außen lässt darin kein Kulturdenkmal vermuten.

Eine Perle der Renaissance – das „Teatro Olimpico“

Ein Highlight aber ist das „Teatro Olimpico“ – ebenfalls nur ein paar Schritte vom Marktplatz entfernt. Es ist das erste überdachte Theater Europas, das eigens für diesen Zweck erbaut wurde. Auch hier sieht man von außen nur ein unscheinbares Haus. Betritt man das Theater, überwältigt im Innern eine Galerie mit korinthischen Säulen, die ein Gesims tragen, auf dem sich griechische Götterfiguren befinden. Das gegenüber fest installierte Bühnenbild  wurde vor einigen Jahren dem Original nachgebaut, nachdem das Original im 18. Jahrhundert verloren gegangen war.

Dieses Bühnenbild ähnelt dem großen Vorbild in Vicenza (das ich auch schon besuchen konnte und das ebenfalls ein Bauwerk der Renaissance ist) und es ist so gebaut, dass ein großer Raum, eine Perspektive vorgetäuscht wird, die die kleine Bühne so gar nicht hergibt. Das Theater ist auch wieder eines dieser überraschenden Wunder von Sabbioneta, die fast sprachlos machen, weil man sie in einem so verschlafenen Städtchen nicht vermuten würde.

Säulen mit griechischen Göttern im Teatro Olimpico
Beeindruckend: Säulen mit den griechischen Göttern im „Teatro Olimpico“
Historisches Bühnenbild
Historisches Bühnenbild im Teatro Olimpico: fest installiert, mit verblüffender Perspektive und Schauplatz jährlicher Kulturveranstaltungen

Es gibt noch einiges mehr anzuschauen in Sabbioneta. Leider war war während meines Besuches die Kirche S. Maria Assunta geschlossen, so dass ich die verbleibende Zeit einem guten Cappuccino im Café am Marktplatz gewidmet habe.

Fazit:

Wer wie ich gerne abseits der Touristenströme auf Entdeckungsreise geht, wird Sabbioneta lieben. Das Aufleben der der Ideale der römischen Klassik, fürstliche Pracht – all das findet der Besucher in den überraschenden Renaissance-Gebäuden in Sabbioneta vor. Die überraschende Größe und Großzügigkeit in den Bauten korrespondiert nicht mit dem Sabbioneta von heute: ein verschlafenes Nest mit trägem provinziellem Charme – irgendwo in der großen Poebene.

Ich denke, dieser unerhörte Kontrast macht den Charme des Städtchens aus und Sabbioneta für mich zu einer echten Entdeckung.

Hier noch einige Bilder in einer kleinen Galerie:

Ein Kommentar

  1. Ulrich Berens 2. Juni 2012

    Zum Punkt „Idealstadt“ zitiere ich hier eine Webseite der RWTH Aachen, die feststellt:
    „Sabbioneta gilt als eine der konsequentesten Umsetzungen des Idealstadtgedankens der italienischen Renaissance. Grundriß und Umrißfigur der Stadt sind so angelegt, daß sie den gewandelten Begriffen der Zeit vom Fürsten und seinem Staat architektonischen Ausdruck verleihen, zugleich aber in zahlreichen Rückgriffen auf den antik-römischen Städtebau eine Kontinuitätslinie zurück zum kaiserzeitlichen Imperium konstruieren.“

    Schöner hätte ich das auch nicht sagen können, deshalb ergänze ich das hier noch.
    Quelle: https://baugeschichte.arch.rwth-aachen.de/forschung/sabbioneta

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