Auf dem diesjährigen Linux Presentation Day hier in meinem Wohnort Donauwörth wurde ich von einer älteren Dame angesprochen. Ob man denn ihr schon älteres Lenovo-Notebook auch mit Linux betreiben könne? Ihr Notebook war noch mit Windows 7 ausgeliefert worden. Ein kostenpflichtiger Umstieg auf Windows 10 stand eigentlich an. Windows 7 war nach ihren Worten aber schon so langsam, dass sie auf Windows 10 schon gar keine Lust mehr habe. Sie erzählte mir, sie nutze das Notebook eigentlich nur für Ausflüge ins Internet und für Email. Außerdem hatte sie gehört, dass der Einbau einer SSD das Gerät beschleunigen kann. Als ich das bejahte, bat sie mich, ihr eine solche SSD doch einzubauen und darauf dann unbedingt Linux zu installieren.
Linux – aber welches?
Zwei Tage später sah ich mir ihr Notebook genauer an. Es handelte sich um ein Lenovo G530 mit 15.4″ TFT-Display und einem Intel Pentium Dualcore mit 2 GB RAM und einer 500GB großen Festplatte. Windows 7 steckte in irgendeiner Endlosschleife nach einem eingespielten Update fest. Da die bisherige Festplatte trotz mehrjähriger Nutzung weniger als 20 GB Daten beherbergte, kaufte ich für das Gerät eine kostengünstige 240GB-große SSD, die ich dann einbaute. Die alte 500er Platte wanderte in ein externes Festplattengehäuse.
Die nächste Entscheidung betraf die Auswahl einer einsteigerfreundlichen Linux-Distribution. Meine Wahl fiel auf Linux-Mint, weil ich von vielen Linux-Einsteigern dazu gute Rückmeldungen erhalten habe. Etliche nutzen Mint auch noch nach Jahren der Linux-Nutzung.
Umstieg auf Linux mit Hilfe
Nachdem die Installation und Konfiguration durchgelaufen war, mountete ich die 500er Platte. Ich wollte vorhandene Daten aus dem Benutzerordner unter Windows in den Homeordner der neuen Linux-Benutzerin kopieren. Es waren nur eine Handvoll Dateien, so dass es schnell erledigt war.
Kurze Zeit später brachte ich das Gerät zur Besitzerin zurück. Sie erhielt von mir eine kleine Einführung in die Bedienung. Gemeinsam richteten wir noch Ihr Emailkonto in Thunderbird ein. Die Neu-Linuxerin wirkte zufrieden. Selbstverständlich erstattete sie mir meine Auslagen. Wir vereinbarten, dass sie jetzt erst einmal Erfahrungen mit dem Gerät sammeln sollte. Wenn Fragen aufkommen sollten, durfte sie mich anrufen.
Ich dachte eigentlich, damit sei ihr Umstieg auf Linux so gut wie gelaufen. Aber wie so oft, lauert der Teufel im Detail bzw. hier in den Nutzungsgewohnheiten.
Die größte Hürde: Gewohnheitstier Mensch
Zwie Tage später kam der Anruf der frischgebackenen Linux-Nutzerin: Sie könne mit dem Touchpad nicht mehr im Browser scrollen; Ihre bisherigen Emails würden nicht mehr erscheinen, es komme kein Signal mehr, wenn neue Emails einträfen und die alten Email-Kontakte habe sie jetzt auch nciht mehr.
Mein Versuch, ihre Fragen am Telefon zu klären, scheiterte – ich bekam einfach keine eindeutigen Informationen über ihre Probleme. Also vereinbarten wir einen neuen Termin.
Linux Email wie unter Windows
Ihre Email-Probleme bekam ich relativ schnell in den Griff: sie bemängelte, dass im Browser kein Minisymbol mehr die Ankunft neuer Emailnachrichten ankündigte. Es habe immer ein Klick auf dieses Symbol ausgereicht, um Ihre Email dann anzuschauen. Sie nutze den Emaildienst von GMX für Ihre Mails und ich kam schnell darauf, dass sie dazu keinen eigenen Emailclient, sondern ein Browser-Plugin genutzt hatte. In diieses Plugin hatte sie ihre Login-Daten hinterlegt, so das ein Klick auf das entsprechende Symbol sie dann einfach zur GMX-Seite direkt in den Posteingangsordner weiterleitete.
Ich erklärte Ihr, dass die Nutzung eines Clients wie Thunderbird besser und sicherer sei, zumal sie dann auch nicht so intensiver Bombardierung mit Werbeinblendungen ausgesetzt sei.
Ihre Emailkontakte konnten wir bequem aus der GMX-Weboberfläche exportieren und in Thunderbird importieren.
Touchpad unter Linux wie unter Windows
Unter Windows hatte sie ihr Touchpad beim Scrollen so genutzt, dass sie mit einem Finger den rechten (extra markierten) Randbereich auf- und abfuhr. Dies funktionierte nun unter Linux-Mint nicht mehr. Ich zeigte Ihr, dass das Scrollen nun wunderbar unter Nutzung von zwei Fingern funktioniert – aber damit wollte sie sich nicht zufriedengeben.
Obwohl ich kein Experte Linux Mint bin, fand ich die Einstellungen für das Touchpad schnell. Hier lässt sich auch einstellen, dass das Scrollen durch Auf- und Herunterziehen des Fingers am rechten Rand des Touchpads erfolgen soll.
Nutzerin zufrieden – Linux Umstieg geglückt
„Ich bin halt ein Gewohnheitstier!“, lachte die Linux-Umsteigerin beim Abschied. Und sie erwähnte die sagenhafte Schnelligkeit, mit der ihr altes Notebook nun zu Werke geht. Natürlich nutzte ich die Gelegenheit, um sie über die Vorteile aufzuklären, die freie Software mit sich bringt. Dabei habe ich gemerkt: der beste Botschafter ist nicht die Freie Software selbst (so vieles gibts ja kostenlos), sondern immer auch der, der sie uneigennützig weitergibt und der engagiert bei Problemen unterstützt.
All das ist jetzt schon ein paar Wochen her. Sie scheint also mit dem Umstieg glücklich und zufrieden.
Was zeigt: der Umstieg auf Linux muss nicht kompliziert sein. Wenn die Anforderungen einfach sind, fährt frau oder mann besser mit Linux. Mit technischen Schwierigkeiten ist zwar zu rechnen, aber die größte Hürde scheint mir immer noch Frau und Herr Nutzer mit ihren liebgewonnenen Gewohnheiten zu sein. Und selbst hier kommt Linux den Neulingen weitgehend entgegen.
Linux nutzen heitß eben auch: wir dürfen uns zu Hause fühlen.
Lieber Herr Berens,
ich hoffe es geht Ihnen wieder und immer noch gut.
Auch hier wieder eine nette Geschichte.
Aus dem täglichen Leben kenne ich viele solche Begebenheiten.
Sie beschreiben es aber mit so netten Worten, daß ich einfach nur DANKE sagen kann.
Viele Grüße
Xaver Hinterhuber