Vor einiger Zeit bin ich auf ebay zum ersten Mal auf irgendeinen dort angebotenen iPhone-Klon aus China gestoßen. „Nicht ernst zu nehmen.“, dachte ich und belächelte die typische „Plagiatware“ als minderwertig. Nun konnte ich so einen Klon selbst testen und in Augenschein nehmen, und zwar ein „Blackview Ultra 2015“. Besonderheit: Auf dem Blackview läuft zwar eigentlich ein Android 4.4.2, es gibt aber einen sogenannten iOS-Mode, der nach einem Reboot auf das Telefon eine iOS-ähnliche Benutzeroberfläche zaubert, die auf den ersten Blick kaum vom „echten“ iOS zu unterscheiden ist. Zu diesem Eindruck trägt natürlich auch maßgeblich das Aussehen der Hardware bei: das Smartphone ist äußerlich eine ziemlich exakte (und dreiste) Kopie des aktuelle iPhones 6 von Apple.
Aktuell wird das Smartphone für ca. 80 Euro angeboten. Die Lieferung war in meinem Fall kostenfrei, auch mit dem deutschen Zoll kam ich gar nicht erst in Kontakt. Das fand ich prima! Die Lieferung dauerte im Standardversand übrigens ca. 10 Tage.
Hardware
Klar, dass man für 80 Euro nicht Apple-Qualität bekommt, sondern dass das Gehäuse des iPhone-Imitators in der Hauptsache aus Plastik besteht. Man kann den ganzen Plastikdeckel der Rückseite abheben und kann so die große, flache Batterie einsetzen, sowie die SIM-Karten und die Micro-SD-Speicherkarte. Mit der wechselbaren Batterie kauft man sich zumindest nicht den Nachteil eines fest verbauten Energiespeichers a la Apple ein. Auf der Innenseite des Deckels ist die Touchfolie für das Touchpad angebracht. Die ganze Konstruktion wirkt etwas windig, aber nach dem Zusammensetzen funktioniert auch das rückseitige Touchpad (s.u.) wieder wie gewohnt.
Zum Gehäuse muss man sagen: knarzen, klappern oder wackeln tut da auf den ersten Blick nichts, das Gehäuse ist zwar von der Form her eine (billige) Kopie des iPhone, aber eine durchaus stabile. Optisch sieht das Ultra zwar (fast) aus wie ein iPhone, aber im Profil wird deutlich, dass das Ultra fast um ein drittel dicker aufträgt als das große Vorbild von Apple.
Der 4,7 Zoll große HD-Bildschirm mit 1280×720 Pixeln („HD IPS Screen“) ist für mein Empfinden ganz ordentlich, wenn auch von der Auflösung, der Blickwinkelstabilität usw. natürlich nicht mit dem Retina-Displays des iPhones zu vergleichen. Immerhin ist das Ultra-Display recht leuchtstark.
Meine Kritik: Leider nimmt es sehr schnell Fingerabdrücke auf und wird während der Touch-Bedienung auch bei sauberen Fingern ziemlich schnell „schmierig“.
Zwar sieht auch der Home-Button beim 2015er Blackview Ultra (es gab ein früheres Modell mit eckigerem Home-Button) wie beim iPhone 6 aus, verfügt aber natürlich nicht über die „Touch-ID“-Funktion des Apple-Produkts.
Was mir aber wirklich gut gefällt am Ultra ist das Touchpad auf der Rückseite. Hersteller Blackview nennt das „Backscreen Navigation“. Mich wundert, dass nicht schon mehr Smartphone-Bauer auf diese genial-einfache Idee gekommen sind. Schließlich hat man eh dauernd Finger auf der Rückseite seines Telefons, warum also nicht damit auch Wischgesten ausführen? Genau das kann man mit dem Touchpad des Ultras machen: Webseiten oder Texte scrollen oder mit Wischgesten den Desktop durchblättern oder Funktionen aufrufen.
Telefonieren klappt mit dem Ultra ganz gut, die Sprachqualität ist ordentlich. LTE gibt es nicht, was aber bei diesem Preis nicht wundert. Auch die verbauten Lautsprecher sind für diese Preisklasse ok. – ich habe da schon schlechtere Smartphone-Speaker gehört.
Nützliche Add-Ons im Lieferumfang
In der Verpackung des Ultra findet sich neben Quickstart und einem Ladestecker von etwas zweifelhafter Qualität auch Kopfhörer, und sogar eine passende transparante Hülle für das Telefon (Bumper-Case) sowie eine passende Bildschirmfolie. Ist der Bumper angebracht, reagiert das rückseitige Touchpad allerdings nicht mehr spontan. Wer den Bumper anbringt, muss also auf die praktische Backscreen-Navigation mit dem Zeigefinger verzichten.
Ein Wort zur Kamera: die ist wirklich nicht gut. Die angepriesenen 13 Megapixel sind reine Marketing-Augenwischerei. Selbst bei guten Lichtverhältnissen sind die Bilder vermatscht. Für Schnappschüsse mag das reichen – mir reicht es nicht. Dennoch finde ich diesen Qualitätsmangel nicht weiter schlimm.
Ausstattung
Ausgestattet ist das „Blackview Ultra“ des weiteren wie folgt:
- Dual-Sim (Standardgröße und Micro-SIM)
- CPU: MTK6582 1.3GHz, Quad Core
- GPU: Mali-400 MP
- 4.7 Zoll IPS kapazitiver Bildschirm mit 1280 x 720 Pixel
- OS: Android 4.4.2
- RAM: 1GB (955.06MB nutzbar)
- ROM: 8GB (6.08GB nutzbar)
- Bluetooth/GPS/OTG/Wifi/FM/MP3/MP4
- 2G/3G (kein LTE)
- Speichererweiterung: SD-Karten bis 32GB möglich
- Kamera: 13.0MP
- Frontkamera: 5.0MP
- mit Touch-Focus
- WIFI: 802.11b/g/n
- Batterie: 2200 mAh
- Besonderheit: Touchpad auf der Rückseite unterhalb der Kamera
Leistung, Bedienung und Oberfläche
Klar kann man vom Ultra nicht Höchstleistung erwarten. Es liegt in etwa auf dem Leistungsniveau eines Motorola Moto G der ersten Generation und ist somit leistungsmäßig ein Einsteiger-Smartphone (s. Bilder dazu unten). Wobei sich für mich die iOS-ähnliche Oberfläche subjektiv „flüssiger“ bedienen lässt und auch anfühlt als die Android-Oberfläche, welche zudem nicht durchgängig eingedeutscht ist.
„Bloatware“ befindet sich zum Glück nicht an Board des Ultra – immerhin. Es werden die Google-Standardtools mitgeliefert. Bei der Erstkonfiguration gibt es auch keinen Einstellungs-Assistenten, der den unerfahrenen Benutzer durch die Konfiguration führt. Vielmehr findet man sich auf der englischsprachigen Android-Oberfläche wieder. Erfahrenere Android-Nutzer werden also vermutlich kein Problem haben, das Telefon auf Deutsch umzustellen und ein Google-Konto anzulegen, Android-Neulinge werden dafür wohl Hilfestellung in Anspruch nehmen müssen.
Sicherheitsbewusste Android-Nutzer, die das Google-Universum umgehen möchten und lieber auf Freie Software und alternative Appstores setzen, müssen dafür nicht mühsam das Smartphone „entgoogeln“, was ja auch ein Vorteil sein kann.
Im iOS-Modus sieht das Ultra nicht nur wie ein iPhone 6 aus, sondern lässt sich größtenteils auch so bedienen: ein Wisch von oben nach unten öffnet Widgets, z.B. den Kalender, und die System-Benachrichtigungen. Ein Wisch von unten nach oben öffnet den von iOS bekannten Schnellzugriff auf wichtige Funktionen. Auch der Dialer für Anrufe sieht dem von iOS ähnlich. So weit so vertraut.
Schwachpunkt
Größter Schwachpunkt der nachgebauten iOS-Oberfläche für mich: die darauf laufenden Anwendungen sind alles Android-Anwendungen. Diese „erwarten“ Android-Bedienelemente, die aber unter dem iOS-Nachbau teilweise nicht erreichbar sind. Das führt z.B. dazu, dass sich Apps schlecht schließen lassen. Der „zurück“-Knopf fehlt im iOS-Nachbau; auf der Android-Oberfläche ist dieser Softkey übrigens nicht unterhalb, sondern im Bildschirmbereich realisiert, was die nutzbare Bildschirmfläche hier etwas einschränkt.
Fazit
Würde ich das „Blackview Ultra 2015“ empfehlen? Kommt drauf an. Einsteigern sicher nicht. Auch niemandem, der ein Alltagshandy sucht. Wer aber mit Android vertraut ist und ein Zweit-Telefon für eine oder zwei ältere SIM-Karten sucht, der kann zugreifen. Interessant kann der iPhone-Klon auch für iPhone-Besitzer sein, die ein sehr günstiges Zweit-Telefon brauchen, denn die Grundfunktionen von iOS sind ja recht gut nachgebildet.
Der Apple-Wow-Faktor mag evtl. auch ein Grund sein, dieses Telefon zu erwerben, denn er macht zu einem günstigen Preis den iPhone-Klon zu einem Gadget mit Angeber-Faktor. :-)
Und zum Schluss noch das Hersteller-Video:
Ich wollte mir das Blackview A6 Ultra kaufen. Aber ich bin mir nicth sicher ob es gut ist. Könnt ihr mir vielleicht sagen ob das Handy gut getestet ist Bzw. gut ist?
Hallo, Qualität, Verarbeitung und Leistung des genannten Handys sind sicher ok. und durchaus brauchbar. Was man sich mit dem Kauf eines solchen Handys aber auch einhandelt: Support ist im Schadensfall eher mau bzw. läuft wie im Reklamationsfall über China. D.h. man braucht auch etwas Risikobereitschaft, wenn man sich für eine Chinahandy entscheidet und sollte sich die Erfahrungen anderer Käufer mit einem bestimmten Shop gut anschauen.